Period Petition – Viva la Menstruation
von Charlotta Westphal, 2. Juni 2019
1€ – so viel kostet ein einzelner Tampon aus der Drogerie. I0.000 Stück verwendet eine Frau* durchschnittlich in ihrem Leben. Das macht also 10.000€ insgesamt – und das nicht nur für Tampons, sondern auch für Binden, Menstruationstassen oder Schmerzmittel. Eine ganze Menge Geld, für so etwas Unausweichliches wie die Periode. Und trotzdem bleibt es unabdinglich: Wer in unserer westlichen Welt nicht zu Hygieneprodukten greift, hat keine Chance. Systematische Ausgrenzung, öffentliche Demütigungen oder Schlimmeres sind automatische Folgen und Strafen, durchgeführt von der Gesellschaft selbst. Obwohl man in vielen Bereichen der Wissenschaft und medizinischen Forschung schon so viel Wissen erreicht hat, bleibt der weibliche Körper weiterhin ein stigmatisiertes und tabuisiertes Thema, gefüllt von Scham, dass nur hinter geschlossenen Türen und hervorgehaltenen Händen stattfindet. Wenn es um den Uterus in jeglicher Form geht, wird die Gesellschaft rückschrittlich, zumindest im gesellschaftspolitischen Bereich.
Sobald es um weibliche Hygiene geht, verliert Deutschland seine Fortschrittlichkeit und deklariert natürliche Prozesse des femininen Körpers als Luxusproblem. Die regulären sieben Prozent Mehrwertsteuer, welche auf lebensnotwendige Produkte des täglichen Bedarfs angewendet wird, gilt hier nicht. Stattdessen werden Hygieneprodukte vergleichbar mit Kaviar oder Champagner als Luxusgüter eingeordnet und somit mit 19 Prozent besteuert.
Das macht eine ganze Menge aus. Auf das gesamte Leben betrachtet, von dem ungefähr 40 Jahre von der Menstruation begleitet werden, würde man ohne Steuer 200€ weniger für Tampons und Co. ausgeben. Selbst wenn man sie mit den gebräuchlichen sieben Prozent besteuert, würde jede Menstruierende immer noch ungefähr 100€ einsparen. Für Personen aus minder bemittelten Gesellschaftsschichten, marginalisierten Gruppen oder auch für Schüler und Studenten kann dieser Betrag ausschlaggebend sein. Gerade für Hartz-IV Empfänger, denen ein monatliches Budget von 15€ für ihre Gesundheit sowie Arztbesuche zur Verfügung stehen, kann es knapp werden.
„Unterschreiben für die Scheide“
Dieses Bewusstsein für die finanzielle Benachteiligung und systematischen Diskriminierung von Menstruierenden, die schon 2017 Anklang in den Medien fand, feiert nun ihr Revival. Einhorn, ein Start-Up für “Fairstainable” (Neologismus für nachhaltig und fair) produzierte Periodenprodukte und Kondome, hat sich diesem Problem angenommen. Gemeinsam mit dem Neon Magazin haben sie einePetitionfür die Senkung der Steuer auf Perioden-Produkte ins Leben gerufen. Die beiden haben sich zum Ziel gesetzt, den “offensichtlichen Sexismus im Mehrwertsteuersystem auszuräumen” und eine “Gleichberechtigung in allen Bereichen der Politik” durchzusetzen.
Vom 30.04. 2019 bis zum 28.05. 2019 konnte jeder die „Petition 91015: Umsatzsteuer – Besteuerung von Periodenprodukten mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 %“ online mitzeichnen. Man brauchte einzig und allein ein Profil bei dem Petitionsforum des Deutschen Bundestages. Inzwischen befindet sich die Petition in der Prüfung, soll aber wahrscheinlich im September diesen Jahres dem Bundestag vorgelegt werden. Die Hürde, von den dazu notwendigen 50.000 Unterschriften, wurden mit Leichtigkeit überschritten. Die Petition von einhorn und Neon hat sogar 31425 Unterzeichner mehr.
#keinLuxus – Die Macht von Social Media
Dieser Meilenstein wäre ohne die gezielte Werbung auf Sozialen Netzwerken wie Instagram undenkbar gewesen. Seit November 2018 macht einhorn auf die Problematik der Ungerechtigkeit im Mehrwertsteuersystem aufmerksam. So haben sie nicht nur Demonstrationen, wie die zum Weltfrauentag am 8. März besucht, sondern auch eigens ein Lied kreiert. Der Rap-song „#keinluxus“ mit dazugehörigen Musikvideo soll ebenfalls mehr Aufmerksamkeit schaffen. Zudem mobilisieren Neon und einhorn mit dem gleichnamigen Hashtag ihre Community.
Seit Beginn der Petition kommunizieren und bewerben einhorn und Neon diese mit Illustrationen, Slogans und Fotografien intensiv auf Instagram. Und genau dieses Rühren der Werbetrommel hat den Unterschied gemacht. Spulen wir 24 Stunden vor Ende der Petition zurück: Bis dahin haben ungefähr 24.000 Menschen unterzeichnet. Neon und einhorn nehmen gezielt Kontakt auf mit großen sowie kleinen Influencern und Organisationen. Sie werden nicht nur vom Mutterverlag Gruner & Jahr unterstützt, sondern auch von Micromagazinen wie not another woman Mag. Zudem springen PR-Agenturen wie Bold Berlin, Fotografen oder Privatpersonen auf den Zug auf und teilen die Petition. Dasselbe gilt für politische Organisationen wie Stimmrecht Gegen Unrecht und sogar die Grünen Braunschweig. Nur mit dieser Unterstützung war es möglich in so kurzer Zeit so viele potentielle Unterzeichner zu erreichen und sogar rund 30.000 Unterschriften mehr zu erlangen.
Kurvendiagramm der Unterschriftenanzahl zwischen dem 30.04.2019 und dem 28.05.2019. Hier lässt sich die Auswirkung von Social Media durch den rapiden Anstieg der Kurve noch einmal genau betrachten.
Bücher statt mit Wörtern lieber mit Tampons füllen
Wie bei jeder Problematik gibt es aber auch hier Grauzonen und temporäre Lösungen. So wie beispielsweise der kreative Ansatz von the female company. Durch das Ändern der Verpackung der Tampons kann man das Gesetz umgehen und das Produkt mit den üblichen 7 Prozent besteuert. Nette Idee. Allerdings bleibt die Frage, ob es wirklich erst soweit kommen muss, dass Tampons in Bücher gelegt werden, um dem Sexismus entgegen zu wirken.
Denn gerade in Zeiten von Abtreibungsverboten in Alabama und frauenverachtenden Stimmen, wie dem Gesundheitsminister Jens Spahn, scheint diese Petition wichtiger denn je. Der Feminismus hat noch nicht seinen Gipfel erreicht. Gesetze wie das der Luxussteuer beweisen die Notwendigkeit der Anerkennung der Frauen* in der Gesellschaft und die systematische Unterdrückung durch patriarchale Gesellschaftsstrukturen. Das Gesetz der Luxussteuer ist hier nicht das einzige Beispiel.
Noch immer braucht es Hartnäckigkeit, Repräsentation und Durchhaltevermögen, um Veränderungen zu erzeugen
Die Debatte um §218 und §219a des Strafgesetzbuches zeigt, wie der Kampf gegen veraltete Gesetze in Bezug auf Feminismus aussehen kann. Auch diese Thematik der Schwangerschaftsabbrüche hat sich mit Demonstrationen hochgeschaukelt und kulminierte ebenso in einer Petition zur Abschaffung der von Jens Spahn angeforderten Studie, zu deren „seelischen“ Folgen. Auch diese Petition zählt derzeit knapp 90.000 Unterschriften, jedoch zeugt sie als Beispiel, wie mit solchen Aufruhen hierzulande umgegangen wird. Man ignoriert, nimmt das Recht zur Meinungsäußerung durch das gezielte Sperren von Kommentarfunktionen auf dem Instagram-Account von Jens Spahn und entscheidet sich generell lieber für die einfachen Lösungen
Es braucht also eine Menge Hartnäckigkeit, Repräsentation und Durchhaltevermögen um Veränderungen anzustoßen, ob sie aber auch durchgeführt werden bleibt aber ungeklärt. Nichtsdestotrotz kann man sich nur wünschen, dass der Verlauf zur Problematik der Herabsenkung der Mehrwertsteuer auf weibliche Hygieneartikel dennoch anders verläuft.
*“Frau“ schließt hier alle Menschen mit Uterus ein